Von Senioren für Senioren / Teil 4

Von Senioren für Senioren

Unter der Rubrik „von Senioren für Senioren“ dürfen wir wieder eine ausser-gewöhnliche Geschichte veröffentlichen. Unser Dank geht diesmal an die Autorin Liselotte Bloch:
Damals...
Eine ganz besondere Geschichte begleitet unsere Familie, seit Generationen bis zum heutigen Tag.
Aufgewachsen bin ich im oberen Fricktal. Meine Eltern führten einen Landgasthof. An den Wochenenden herrschte Hochbetrieb. Die Gäste bestellten zum Zvieri Löwenteller, Damenteller, Wurstsalat und Speckbrettli. Nebenbei bestaunten sie die Sammlung meines Urgrossvaters. Im Saal hingen unzählige Geweihe, Gewehre, Säbel, Schmetterlings - Käfer - und Vogelkästen. Mein Urgrossvater Emanuel war ein begeisterter Wirt, Jäger und Sammler. Seine Frau Kunigunde, gebar sechs Kinder, bewirtschaftete während 40 Jahren den Gasthof Löwen und nebenbei war sie noch Handarbeitslehrerin an der Gemeinde-Schule. Sie war eine ganz besondere Frau.

Bild Seniorengeschichte Teil 4 (Foto: Kirchgemeinde Biel-Benken)

Dieses Bildchen wurde von den 7 Nonnen, zur Geburt meiner Urgrossmutter, im Jahre 1867, mit kleinsten Nadelstichen gestochen. Wenn man darauf klickt wird es grösser und man kann alles besser erkennen.

Ihre Mutter Marie war damals, im Jahre 1867, in guter Hoffnung. Vor der Niederkunft hatte sie das Bedürfnis, sich der Gnade der Mutter Gottes anzuvertrauen, für einen guten Geburtsverlauf und ein gesundes Kind zu beten. Marie wollte darum nach Einsiedeln wallfahrten und unterwegs, im Kloster Au, in welchem ihre Schwester als Äbtissin waltete, einen Besuch machen. Die Reise mit der Pferdekutsche und ein langer Fussmarsch übers Hochstuckli waren mit grosser Mühe und Strapazen verbunden. Im Kloster Au erschöpft angekommen, setzten während der Nacht die Wehen ein und meine Urgrossmutter erblickte das Licht der Welt. Das Besondere an dieser Geschichte – dieses aussergewöhnliche Kind erhielt sieben Namen. Es waren die Namen der sieben Nonnen, welche bei der Geburt anwesend waren. Anna, Marianna, Helena, Verena, Frederica, Kunigunda, Sekunda.
Meinem Grossvater war es wichtig, dass alle Nachkommen diese Namen schon früh auswendig lernen mussten. Auch meine Töchter und meine fünf Enkel kennen sie und geben sie an Familienfeiern oder gemeinsamen Mittagessen zum Besten. Bis heute ist dies eine Tradition geblieben, sich unserer Vorfahren zu erinnern. Alte Fotos, hübsch bemalte Dosen, Engelchen aus Porzellan und kunstvoll gehäkelte Deckli haben sie uns als Andenken hinterlassen. An wichtigen Familienfeiern werden die silbernen Kerzenständer unserer Vorfahren geputzt, auf den Tisch gestellt und mit lieben Gedanken in den Himmel, zum Leuchten gebracht. Der gehäkelte Tischläufer passt dazu, und lässt viele Geschichten hochleben.

Ahnen-Geschichten sind Lebens-Bereicherungen und lassen uns unsere Wurzeln spüren. Ich möchte sie nicht missen.
Bereitgestellt: 28.06.2021