Es freut uns sehr, dass unter dieser Rubrik, welche wir auch jüngeren Personen zum Lesen empfehlen, ein weiterer Beitrag eingereicht wurde. Helen Jenni hat uns einen Brief zukommen lassen, welcher vor 76 Jahren geschrieben wurde. Nicht nur der Inhalt ist bemerkenswert, auch der makellose Schriftzug des Verfassers ist eindrucksvoll. Deshalb zeigen wir Ihnen zuerst einen Auszug des Originalschreibens.
Basel, 6. März 1945
Liebes Dorli*
Deinen lieben Kartengruss hat mich heute Morgen erreicht. Es freut mich, dass Du mit Grittli und Trudy dort oben gut angekommen bist. Die ersehnte Schneezulage wird inzwischen wohl auch eingetroffen sein. In unserer Umgebung sieht es wieder recht winterlich aus; es hat bis Sonntag weit hinunter geschneit, brrr war das ein Tag! Punkt 09.00 kroch ich aus den Federn um das sonntägliche Z’morge einzunehmen. Ich habe fest an Dich gedacht. Nach einer Viertelstunde begleitete ich Euch auf Eurer Reise wiederum vom Bett aus. Mein erquickendes Dahinträumen dauerte jedoch nicht lange. Ein ohrenbetäubendes Sausen wie von 1000 Raketen und heftiger heller Knall rissen mich kurz nach 10 Uhr aus meinem Schlummer. Mit einem Satz war ich auf der Terrasse und sah die mächtige Rauchfahne am blauen Himmel. Vorerst glaubte ich an den Absturz eines Bombers. Meine Mutter hat noch nicht auf drei gezählt, war ich auf dem Velo und raste Richtung Bahnhof. Von der Pfeffingerbrücke her kamen dichte Rauchschwaden. In der Hochstrasse brannte es an mehreren Orten. Da plötzlich sah ich, wie der Dachstock vom Thiersteinerhof brannte, wo die Eltern meines Cousins wohnten. Sogleich half ich bei der Bergung der Mansardenzimmer-Ausstattung mit. Als ich meine Verwandten in Sicherheit wusste, sauste ich nach Hause wo das Feuerwehrgwändli bereits bereitgestellt war. Wiederum ging es im Garacho in einem P.W. ins Gundeli. Nachdem ich mit sechs Soldaten einen kleinen Dachstockbrand in der Thiersteinerallee selbständig gelöscht hatte, wurde ich beim V.S.K. eingesetzt. Da gab es allerhand zu tun. Mit sicherem Strahl wurde dem Feuer auf den Leib gerückt. Es sah trostlos aus. Um 4 Uhr schalteten wir eine Erholungspause ein. Diese wurde dazu benützt, um den gewaltigen Schaden auf dem „Wolf“ zu besichtigen. Die Sprengbomben hatten eine verheerende Wirkung. Du wirst sicher schon Bilder davon gesehen haben, oder? Um 7 Uhr abends wurden wir müde, schwarz und nass entlassen, doch hatten wir das Gefühl tatkräftig geholfen zu haben, wo Not war. Nach einem erfrischenden Bad und gutem Nachtessen, "Härdöpfelstock & Rindsbrote“, pardon, es war „Kalbsbrote“ genehmigte ich mit Anneli & Paul im Paradies einen wohlverdienten Abendschoppen. Todmüde legt ich mich um ½ 11 ins Bett, nicht ohne mit lieben Gedanken bei Dir zu verweilen.
Liebes Dorli*, ich wünsche Dir von Herzen noch recht schöne Tage in den Bergen und fröhliche Stunden. In lieben Gedanken grüsst Dich
Emil*
*Richtige Namen sind dem Seniorenteam bekannt
Ihr Seniorenteam